Salamutschi duri-duri

Ein nachmittäglicher Spaziergang durch den Wiener Prater, vielleicht ein gemütlicher Bummel durch die Gassen der Josefstadt – und plötzlich ertönt lautes Geschrei: „Salamuschti duri-duri! Wälsche Würste kauft! Salami Italiani!“ Ein Herr in Kniebundhose, eine große Korbtasche umgehängt, an der Rändern Würste baumeln, auch eine Waage ist eingesteckt: Der Salamikrämer ist in den Straßen Wiens unterwegs, um seine frische Ware zu verkaufen.

Wien Museum

Nein, das ist keine Szene aus einem der schmalzigen österreichischen Heimatfilme der Nachkriegszeit. Diese sogenannten „Salamutschis“ waren eine Gruppe von Straßenverkäufern in Wien. Salamikrämer, das war einer von vielen kleinen Berufen der Straßenverkäufer, so wie ein Bandlkramer, ein Kesselflicker, ein Rastelbinder, ein Lavendelweib, ein Pfeifenhändler und viele andere. Ihr Ort fürs Geschäftemachen war die Straße, waren öffentliche Plätze. 

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Diese Straßenhändler waren bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs ein so selbstverständlicher Teil der Stadt, dass sie in eigenen Bildern, in Kupferstichen, auf Tarockkarten oder sogar als Porzellanfiguren der Wiener Augartenmanufaktur dargestellt wurden.

Duri-Duri
„Duri-duri“ war dabei der sogenannte Kaufruf der Salamiverkäufer. Jede Berufsgruppe hat ihren eigenen, charakteristischen Ruf – so kündigten sie ihr Kommen schon von Weitem an.

Gesellschaftlich und sozial standen die diversen Straßenverkäufer jedenfalls am Rande der Mehrheitsgesellschaft. Heutzutage wären die Salamikrämer wohl sogenannte Ein-Personen-Unternehmen, versicherungspflichtig bei der SVA, abgabepflichtig bei der WKÖ, eventuell würden sie für einen Food-Lieferdienst arbeiten. 🙂

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Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Würste wie die Salami zwischendurch, sozusagen als Snack, als Food-to-go, konsumiert und nicht als eigenständige Mahlzeit angesehen. Gemeinsam mit einem Krug Bier, das bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts (oder bis heute?) als Nahrungsmittel angesehen wurde, dienten sie den ärmeren Bevölkerungsschichten als kleines Abendessen.

Mußi Fiesko
Den Salamiverkäufern wurde sogar ein kulturelles Denkmal gesetzt. Ein gewisser Herr Joseph Alois Gleich, seines Zeichens Beamter und Theaterdichter, veröffentlichte im Jahre 1813 ein musikalisches Theaterstück mit dem Titel: „Fiesko der Salamikrämer. Ein musikalisches Quodlibet in zwey Aufzügen.“

„Ehrfurchtsvollest“ gewidmet hat Joseph Gleich dieses Werk „Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht dem Hoch- und Wohlgebohrnen Herrn Alois Fürsten v. Kaunitz-Rietberg. Sr. k. k. Majestät wirkl. Kämmerer etc. etc. [sic]“

Die Handlung ist schnell erzählt: Fiesko, der Salamikrämer, poussiert mit der jungen Julerl, der Nichte des bürgerlichen Wurstmachers – was des Fieskos Ehefrau naturgemäß nicht gerne sieht. Aber vor allem tut er sich mit anderen Salamikrämern zusammen, um einen Aufstand gegen den bürgerlichen Wurstmacher, den Herrn Andreas, anzuzetteln: zu wenig Geld bekommen die Salamikrämer von ihm, zu ausbeuterisch sind ihre Verträge mit dem Kaufmann.

Die Handlung spielt vor allem im dörflichen Wirtshaus, daher wird die ganze Zeit viel getrunken, man diskutiert und prügelt sich, man spioniert einander aus und intrigiert fest gegeneinander – und natürlich wird viel gesungen.

„Salamikrämer sind wir ja,
Stets lustig heysa hopsasa!
Mit Käs und Würsten in der Hand
Durchstreifen wir das ganze Land.“

Letztlich geht fast alles gut aus – Fiesko darf wohl als einfacher Händler kein „bürgerliches Gewerb“ betreiben, aber der bürgerliche Wurstmacher nimmt ihn als „Compagnion“ auf. Und seinem Weib gesteht er, dass er nur der Intrige wegen mit dem Julerl poussiert habe – nunja, ob´s war ist? Die Liedtexte sind da sehr zweideutig … aber das Privatleben des Salamiverkäufers ist ein anderes Thema …

ArtFood: Essen mit Kunst.

PS: Die oben erwähnten Lavendelfrauen – meist ältere Frauen, die an Straßenecken kleine Sträußchen von Lavendelblüten verkauften – gabs in meiner Kindheit noch.


Infos & Quellen
*Salamudschi: Wien GeschichteWiki.
*Joseph Alois Gleich: Fiesko, der Salamikrämer. Ein musikalisches Quodlibet in zwey Aufzügen. Österreichische Nationalbibliothek

Bilder:
*Titelbild: Владимир, Pixabay.
*Salamiverkäufer auf dem Graben: Georg Emanuel Opitz, „Vienne. Le Vendeur de Salamis italien“, um 1810. Wien Museum.
*Salamiverkäufer im Wiener Prater: Otto Schmidt (Fotograf), Wiener TypenNr. 36, „Käs! Salamucci! (Beim Hirschen im Prater)“, 1878. Wien Museum.
*Salamiverkäufer (Lithographie): Ferdinand Cosandier, Wiener Ausruffungen, „Salamini do bin i! Keeso, Kees!!“, um 1820. Wien Museum
*Salami, Brot, Flasche: Couleur, Pixabay. 
*Titelbild Theaterstück: Österreichische Nationalbibliothek

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