Macht, Fruchtbarkeit und Blut
Ewige Jugend, Fruchtbarkeit, Auferstehung Christi, Gelobtes Land, Macht, Gemeinschaft der Gläubigen, Schönheit, Vaterlandsliebe, viel Leid, Blut und Tod – was hat das alles miteinander zu tun?
Tja, es ist eigentlich ganz einfach: Obst – genauer gesagt: es sind die vielfältigen symbolischen Bedeutungen, die der Granatapfel hat.
Der Granatapfelbaum und seine Früchte sind tief in die antike Welt zurückreichende Symbole – ein Motiv mit vielfältiger kultureller sowie religiöser Bedeutung, das bereits im 4. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung in Mesopotamien auf Kultvasen abgebildet war.
Und natürlich ist der Granatapfel mit seinen vielen Kernen auch im Christentum präsent. In der christlichen Symbolik hat er vielfältige Bedeutungen: er kann für die Kirche stehen als die Gemeinschaft der Gläubigen mit ihrer Einheit im Glauben. Weiters ist er Symbol des Priesterstandes. Die harte äußere Schale steht dabei für das asketische Leben der Priester, das aber reiche Frucht trägt, symbolisiert durch die vielen Kerne im Inneren des Granatapfels.
Von da ist es nicht mehr weit zur Muttergottes. Wir sehen Maria, die Mutter der Kirche, und das Kind – beide meist mit sehr nachdenklichem Gesichtsausdruck, mal alleine, mal umgeben von Engeln. Sie wirkt beinahe blutleer, unsagbar traurig, jedenfalls hoffnungslos. Warum, wo sie doch ihrem Kind nur ein Stück Obst, einen Granatapfel darreicht?
Weil sie um das künftige Schicksal ihres Sohnes, um sein Leiden und seinen frühen Tod am Kreuz bereits Bescheid weiß. Wusste sie auch, dass er eines Tages über Wasser gehen würde? Dass er Blinde sehend machen würde? Und hätte dieses Wissen ihren Schmerz lindern können?
Die roten Kerne des Granatapfels symbolisieren in diesen Gemälden das Blut, dass Jesus in seiner Passion sowie am Kreuz vergießen wird, um die Menschheit zu retten. Und indem das Kind die Frucht aus der Hand der Muttergottes entgegennimmt, akzeptiert es ganz bewusst seinen dadurch symbolisierten künftigen Leidensweg.
Die Frucht steht hier also für den Übergang vom Leben in den Tod. Diese schöne, leuchtend rote, pralle Frucht – schon in der Antike ein Zeichen für Unsterblichkeit – zeigt aber auch die Wiedergeburt aus den Kernen an. In der katholischen Kirche ist der Granatapfel also auch Symbol sowohl für das Leiden als auch für die Auferstehung. Denn wie so oft in der christlichen Symbolik ist der Tod nicht das Ende.
Ich finde Granatäpfel nicht nur unglaublich schön, sondern mag auch ihren Geschmack sehr – eine Mischung aus fruchtig, süß und säuerlich, das Ganze mit einem guten Biss. Von nun an aber werde ich sie wohl etwas nachdenklicher betrachten …
ArtFood: Essen mit Kunst.
PS: Ob die Früchte vom Baum der Erkenntnis im Paradies tatsächlich Äpfel oder Granatäpfel oder vielleicht gar Zitronen waren? Hier nachlesen.
Infos & Quellen
Bilder:
*Titelbild, Granatapfelkerne: Lebensmittelfotos, Pixabay.
*Granatäpfel: LoggaWiggler, Pixabay.
*Kultvase, Bild aus: Friedrich Muthmann: Der Granatapfel. Symbol des Lebens in der alten Welt; Schriften der ABEGG-Stiftung Bern, Band VI, 1982; S.11.
*Granatapfel aufgeschnitten: Fruchthandel_Magazin, Pixabay.
*Sandro Botticelli: Madonna del Rosato (Madonna im Rosengarten), 1469/70. Wikipedia.
*Sandro Botticelli: Madonna del Magnificat, ca. 1483. Wikipedia, Uffizien Florenz.
*Sandro Botticelli: Madonna della Melagrana (Madonna mit dem Granatapfel), 1487. Wikipedia.
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