Der Kaiser … ein Gurkerl?

Die Nase eine Birne? Die Wangen aus Äpfeln? Und Zuckererbsen als Augenbrauen?

Giuseppe Arcimboldo: Rudolf II. als Vertumnus (Detail); 1590

Rudolf II. von Habsburg (1552-1612) war jener Herrscher, der seine Residenz von Wien nach Prag verlegte. Sein Hof entwickelte sich zu einem Zentrum für moderne Kunst und Wissenschaft. Und er gilt als einer der wichtigsten habsburgischen Kunstmäzene.

Gegen Ende seines Lebens wurde er wohl etwas … schräg, eventuell sogar schizophren. Aber Rudolf II. ist hier ohnedies nur Mittel zum Zweck. Eigentlich wollen wir ja das Gemüsebild und seinen Schöpfer, Giuseppe Arcimboldo, näher kennen lernen.

Gemüsebilder
Wobei, „Gemüsebild“ klingt natürlich viel zu salopp, denn was Signore Arcimboldo in seinen Gemälden inszeniert hat, sucht in der Kunstgeschichte von Obst und Gemüse seinesgleichen.

Herr Arcimboldo, ursprünglich aus Mailand, stand seit 1563 im Dienst der Habsburger. Er war Hofmaler und inszenierte als eine Art royaler Eventmanager zahlreiche Feste, Lanzenrennen, Turniere, Hochzeiten und Krönungen.

Am bekanntesten sind jedoch seine Gemälde, komponiert aus Obst, Gemüse, Pflanzen oder Tieren. Sie alle sind mit wissenschaftlicher Genauigkeit abgebildet. Und es war das Zeitalter des Manierismus, d.h. man hatte eine Vorliebe für Exaltiertes, Ungewöhnliches, für absonderliche Entdeckungen, bizarre Darstellungen oder kuriose Themen.

Diese Darstellungen aus Lebensmitteln waren nicht einfach eine skurrile Marotte, denn viele seiner Bilder sind Portraits von realen Personen. Anders als bei Georg Flegels Zuckerbild waren viele von Arcimboldos Darstellungen allegorisch gemeint. Das bedeutet, dass sich hinter der vordergründig skurrilen Erscheinung eine tiefere Bedeutung verbirgt. Das Obst-und-Gemüse-Gemälde von Rudolf II. entsprach also ganz der damaligen Vorliebe für Mehrdeutigkeiten, da es gleichzeitig ein Bildnis des Kaisers war.

Giuseppe Arcimboldo: Rudolf II als Vertumnus; 1590

Was ist ein Vertumnus? Und warum?
Rudolf II. ist als Vertumnus dargestellt, als altrömischer Gott des Wachstums und der Pflanzenwelt. Er steht für Veränderung bzw. Verwandlung und herrscht damit auch über die Jahreszeiten. Daher zeigt das Gemälde auch Früchte und Gemüse aus allen vier Jahreszeiten.

Aber warum? Wie gesagt, bei Arcimboldo steckt meist eine Bedeutung dahinter. Welche genau, darüber lässt sich trefflich spekulieren. Die Darstellung des Habsburgers als Gottheit, die auch über alle Jahreszeiten herrscht, betont, dass er alles verkörpern und alles umfassen kann. Es zeigt seine umfassende Macht über die Reichtümer der Natur. Im übertragenen Sinn zeigt das Gemälde die harmonische Vielfalt und den Überfluss im Kaiserreich. Mit Rudolf II. ist also eine Art Goldenes Zeitalter angebrochen, ein Idealzustand der Menschheit.

Giuseppe Arcimboldo: Selbstportrait; 1570

Der Maler, hinweg gefegt von der Gegenreformation
Giuseppe Arcimboldo: trotz seiner Berühmtheit und der Beliebtheit seiner Bilder ist er für viele Jahrhunderte in der Versenkung verschwunden gewesen. Warum? Er war „einer der wichtigsten Meister einer rein weltlichen Kunst, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ihren Höhepunkt findet, bevor sie vom Konzil von Trient (Anm.: zwischen 1545 und 1563) aus der Welt gefegt wird. Gegen Ende des Jahrhunderts schließlich breitet die Gegenreformation ihr Netz der strengen Verbote und Diktate aus, das jede freie Interpretation der Natur ersticken wird. Arcimboldo und sein Werk werden anti-dogmatisch, da es mit den Elementen der Natur spielt, Ungeordnetheit, Verschiedenheit und Veränderlichkeit, das ewige Fließen ausdrückt.“

Erst in den 1920er Jahren werden die Surrealisten ihn und sein Werk als Inspirationsquelle wieder entdecken.


Infos & Quellen
*Giuseppe Arcimboldo, ca. 1526-1593, italienischer Maler der Spätrenaissance bzw. des Manierismus. Wikipedia.
*Rudolf II., 1552-1612, Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, König von Böhmen, König von Ungarn, Erzherzog von Österreich. habsburger.net.
*Zitat von Patrizia Nitti entnommen aus: Sylvia Ferino-Padgen (Herausgeber): Giuseppe Arcimboldo 1526-1593; Ausstellungskatalog Kunsthistorisches Museum Wien, Hatje Cantz Verlag 2008.
*Hier ein kurzes Video (YouTube, 4m16s), das jede Menge von Arcimboldos Bildern zeigt, ohne Text, nur mit Musik.
*Und hier ein längeres Video (YouTube, 14m12s), das mit der wunderbaren Stimme der wunderbaren Isabella Rossellini über Arcimboldos Werke, den Wiener Hof im 16. Jahrhundert und „the Habsburg Power“ erzählt (in englischer Sprache).

Alle Bilder: Giuseppe Arcimboldo
* Rudolf II von Habsburg als Vertumnus; 1590. Wikimedia Commons. Skoklosters Slott.
*Serie Vier Jahreszeiten, i.e. Frühling, Sommer, (Herbst verschollen), Winter; 1. Serie, 1563. Kunsthistorisches Museum (Sommer, Winter). Commons Wikimedia (Frühling).
* Selbstportrait; 1570. Commons Wikimedia.

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